Darlehensgeber darf die Berechnungsmethode frei wählen
Im Zusammenhang mit der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung hatte sich das OLG Frankfurt a. M. mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit der kreditausgebenden Bank ein Wahlrecht hinsichtlich der anzuwendenden Berechnungsmethode zusteht und ob der Darlehensnehmer die Berechnung nach einer bestimmten Methode verlangen kann. Schienen die wesentlichen Probleme rund um das Thema der Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung (und deren Berechnung) bereits weitgehend geklärt, erlangte die Frage nach der Ermittlung der Schadenshöhe infolge der niedrigen bzw. sog. „negativen Zinsen“ zuletzt zunehmende Bedeutung. Teilweise wird vertreten, dass die sog. Aktiv-Passiv-Methode, wonach Banken im Fall der vorzeitigen Ablösung eines Darlehens die Differenz zwischen dem vereinbarten Zins und jenem verlangen, der sich bis zur Fälligkeit der Darlehensrückzahlung durch Wiederanlage der freigewordenen Darlehensvaluta am Kapitalmarkt erzielen lässt, nach heutigen Maßstäben nicht mehr zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung herangezogen werden dürfe. Mit Urteil vom 13. August 2021 (Az. 24 U 270/20) erteilte das OLG Frankfurt a. M. dieser Auffassung eine Absage und stellte fest, dass Darlehensnehmer keine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der sog. Aktiv-Aktiv-Methode verlangen können.
Gesetzgeber lässt Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode zu
Der zuständige Senat argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Eine Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode sei vom Gesetzgeber bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ausdrücklich für zulässig erachtet (BT-Drucks. 18/5922, S. 116) und auch vom BGH gebilligt worden (so jüngst im Urteil vom 05.11.2019, Az. XI ZR 650/18). Die Vorschrift des Art. 25 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie gebe überdies gerade nicht vor, welche Berechnungsmethode heranzuziehen sei, sondern begrenze die Entschädigung nur auf den finanziellen Verlust des Darlehensgebers und stelle die Einzelheiten in die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten. Daher bedürfe es auch keiner Vorlage an den EuGH.
Damit bestätigt das OLG Frankfurt a. M. im Kern die bisherige Rechtsprechung des BGH (seit Urteil vom 01.07.1997, Az. XI ZR 267/96) zu dieser Frage. Danach gilt: Die Bank könne den Schaden, der ihr durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entstehe, sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen. Insbesondere verstoße eine Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode auch nicht gegen die Schadensminderungspflicht der Bank aus § 254 BGB. Es müsse allen Banken gestattet sein, ihren Schaden auf der Grundlage einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der frei gewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln zu berechnen. Nur eine solche Anlage sei ihnen zumutbar, zumal die Wiederanlage durch vorzeitige Darlehensablösungen freiwerdender Mittel in gleichartigen Darlehen in aller Regel zu Lasten ihres sonstigen Neugeschäfts ginge.
Banken sind gerade im Negativzinsumfeld auf Neugeschäft im Darlehensbereich angewiesen
Zwar stammt die zitierte Grundsatzentscheidung des BGH aus einer Zeit, in der das Zinsniveau ungleich höher und von „negativen Zinsen“ noch keine Rede war, so dass durch eine Kapitalanlage in Hypothekenpfandbriefen eine positive Rendite erzielt werden konnte bzw. hypothetisch hätte erzielt werden können. Dies hatte zur Folge, dass auch die Schadensberechnung im Wege der für den Darlehensnehmer in der Regel ungünstigeren Aktiv-Passiv-Methode zu einer Schadenshöhe führte, welche die Summe der ausstehenden Zinszahlungen unterschritt. Die Anwendung der Aktiv-Passiv-Methode im „Negativzins“-Umfeld führt hingegen zu dem neuartigen Ergebnis, dass die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung die Summe der ausstehenden Zinszahlungen unter Umständen übersteigt. Das rechtfertigt aber noch keine andere Beurteilung hinsichtlich der Unzumutbarkeit einer etwaigen Wiederanlage frei gewordener Mittel in gleichartigen Darlehen: Gerade in Zeiten, in denen die Geldnutzung letztlich gar keinen Wert mehr hat und „Negativzinsen“ zu zahlen sind, sind Banken nämlich auf das Neugeschäft im Darlehensbereich (Aktivgeschäft) angewiesen, da dieses im Gegensatz zum Passivgeschäft zumindest noch Zinsen und damit Einnahmen und Rendite bringt. Auch mit Blick auf § 254 BGB ist eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode daher auch weiterhin nicht zu beanstanden. Der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. ist daher zuzustimmen.
Soweit die Wahl der Berechnungsmethode vor dem Hintergrund der aktuellen Zinsentwicklung diskutiert wird, steht eine ausdrückliche Entscheidung des BGH noch aus. Es bleibt somit abzuwarten, ob sich dieser dem OLG Frankfurt a. M. anschließen oder aber Bedarf sehen wird, in Zeiten „negativer Zinsen“ ein Wahlrecht des Darlehensnehmers zu statuieren.