Keine „Zins“-Zahlungspflicht des Darlehensgebers
Das Landgericht Hamburg hatte sich angesichts der aktuellen Zinsentwicklung mit der Frage zu beschäftigen, ob sich aus einer vertraglich zugrunde gelegten Zinsgleitklausel eine Pflicht der darlehensgebenden Bank zur Zahlung sog. „negativer Zinsen“ ergibt bzw. ergeben kann. Mit Urteil vom 4. Dezember 2020 (Az. 318 O 367/19) bezog das Landgericht Stellung und lehnte etwaige Zinszahlungspflichten des Darlehensgebers ab, selbst wenn eine rein rechnerische Anwendung der variablen Zinsformel in dem betreffenden Zeitraum einen „negativen Zins“ ergibt.
Mindestzins von den Parteien stillschweigend auf 0 % festgelegt
Die Argumentation des Gerichtes ähnelt im Wesentlichen jener des Landgerichtes Berlin (Urteil vom 14. September 2021, Az. 21 O 502/19), welches eine Pflicht des Darlehensgebers zur Zahlung von „Negativzinsen“ ebenfalls ablehnte: Eine einfache Auslegung der streitgegenständlichen Zinsgleitklausel ergebe, dass ausschließlich eine Zinszahlungspflicht der Darlehensnehmerin vereinbart worden sei und die Parteien stillschweigend eine Begrenzung des vertraglichen Zinses auf mindestens null Prozent bestimmt hätten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages (im Streitfall: 2006) sei das Auftreten „negativer Zinsen“ in Deutschland weder konkret vorhersehbar noch mit einer solchen Entwicklung ernsthaft zu rechnen gewesen. Eine Pflicht zur Zahlung „negativer Zinsen“ widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrages und den darin definierten Vertragspflichten der Parteien. Das Darlehensrecht kenne keine Entgeltpflicht des Darlehensgebers. Mit „negativen Zinsen“ würde faktisch eine Entgeltverpflichtung für die Verwahrung begründet, was das nach § 488 BGB vorgesehene Modell in sein Gegenteil verkehrte. Der Zins verlöre so seinen Charakter als synallagmatisch verknüpfte Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Valuta. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien zusätzlich zu dem Darlehens- auch einen Verwahrungsvertrag mit einer Vergütung im Sinne eines Kapitalverwahrentgeltes gemäß § 689 BGB abgeschlossen hätten. Allein durch das Absinken des Referenzwertes könnten sich ohne entsprechende Vereinbarung einer Verwahrung weder die Zahlungsrichtung noch der Vertragstypus ändern. Ein auf die Festlegung von „Negativzinsen“ gerichteter Parteiwille könne im Wege der Auslegung allenfalls dann ermittelt werden, wenn das Interesse des Kapitalgebers – was regelmäßig nicht der Fall sein wird – über die Gewinnung von Zinserträgen hinausgehe und gerade auch auf eine Fremdverwahrung des Kapitals gerichtet sei (z. B. mangels etwaiger Anlagealternativen oder eigener Verwahrungsmöglichkeiten).
Kreditvergabe gerade auf Gewinnerzielung ausgerichtet
Die Zahlung „negativer Zinsen“ entspreche auch im Übrigen nicht der Interessenlage der Parteien: Die Darlehensnehmerin stützte sich im Streitfall darauf, dass sich die darlehensgebende Bank refinanzieren könne, indem sie im „Negativzins“-Umfeld bereits bei der Mittelbeschaffung einen Ertrag generiere, da sie ihrerseits den „Negativzins“ erhalte. Ein über die Generierung der anfänglich kalkulierten Marge hinausgehendes Interesse habe die Darlehensgeberin nicht. Dieser sei ihre Marge zuzubilligen, nicht aber eine Ausweitung der Marge. Dem trat das Landgericht entgegen: Ob sich die Darlehensgeberin besser oder schlechter als zu dem in dem Darlehensvertrag angegebenen Referenzzins habe refinanzieren können und inwiefern sich dies jeweils auf ihre Marge auswirke, betreffe allein die Risikosphäre der Darlehensgeberin und sei für die Darlehensnehmerin unerheblich, weil hierdurch nicht ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen betroffen seien. Auch sei die Kreditvergabe der unternehmerisch tätigen Darlehensgeberin gerade auf Gewinnerzielung ausgerichtet, weshalb nicht ersichtlich sei, weshalb dieser lediglich ihre anfängliche Marge, nicht aber eine Ausweitung dieser zuzubilligen sei.