Der Sustainable Finance-Beirat („SFB“) der deutschen Bundesregierung veröffentlichte am 21. März 2023 ein Positionspapier zu aktuellen Problemen und Herausforderungen der verschiedenen Finanzmarktteilnehmer im Zusammenhang mit der Taxonomie-Verordnung und unterbreitete Lösungsvorschläge für eine effiziente Umsetzung der Verordnung.
Der SFB als unabhängiger Impulsgeber
Der Sustainable Finance-Beirat arbeitet als unabhängige Multi-Stakeholder-Dialogplattform und ist ein interdisziplinäres Gremium, das sich aus Praktikerinnen und Praktikern der Finanz- und Realwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammensetzt. Er berät die Bundesregierung in Fragen zu einem nachhaltigen Finanzsystem, insbesondere bei der Weiterentwicklung und Umsetzung ihrer Sustainable Finance Strategie sowie bei der Positionierung in nationalen, europäischen und internationalen Diskussionen im Bereich Sustainable Finance.
SFB lobt den Schritt zu mehr Transparenz - sieht aber Umsetzungsprobleme
Der SFB befürwortet grundsätzlich die Einführung von Berichtspflichten und einer Taxonomie zu einer verlässlichen Definition nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten.
Das Ziel des klimagerechten Wirtschaftens soll durch die Bereitstellung von Kapital aus dem Finanzsektor und eine Lenkung des vorhandenen Kapitals in „grüne“ Wirtschaftszweige unterstützt werden.
Im Rahmen der Anwendung der Taxonomie-Verordnung wurde allerdings ein erhöhter Nachbesserungsbedarf festgestellt. Insbesondere Unternehmen seien mit einer hohen Detailtiefe inden Berichtspflichten konfrontiert und verfügten oft nicht über geschultes Personal, um die geforderten Daten bereitstellen zu können. Teilweise verstricke sich die Verordnung auch in Widersprüchen und führe dadurch zu inkonsistenten Bewertungen.
Analyse und Lösungskonzepte
In diesem Zusammenhang hat der SFB Herausforderungen und Probleme aus drei verschiedenen Kategorien identifiziert, in seinem Positionspapier benannt und Lösungsvorschläge für eine effiziente Umsetzung dargestellt.
Strukturelle Herausforderungen
Den künftig berichtspflichtigen Unternehmen steht ein hoher finanzieller und personeller Ressourcenaufwand bevor. Strukturell treten erschwerend kurze Umsetzungsfristen und ständige Weiterentwicklungen hinzu. Darüber hinaus bestehen rechtliche Unklarheiten, die eine verbindliche Klärung vermissen lassen. Daher plädiert der SFB für eine Veröffentlichungskultur der EU-Kommission, die die nötige Rücksicht auf die erforderlichen Umsetzungszeiträume erkennen lässt. Weiterhin spricht er sich für die Einrichtung einer Kontaktstelle zur unverzüglichen und verbindlichen Klärung von Auslegungsfragen sowie der Bereitstellung von Anwendungshilfen aus.
Inhaltliche Herausforderungen
Inhaltlich weist der SFB einen erhöhten Nachbesserungsbedarf insbesondere im Bereich der sprachlichen Klarheit und Präzision aus. Er sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Definition unbestimmter Rechtsbegriffe, der Konkretisierung der für die Bewertung heranzuziehenden Kriterien und der Festlegung der Anforderungen an den sozialen Mindestschutz. Des Weiteren beklagt der SFB, dass die Taxonomie-Verordnung Inkonsistenzen aufweist und damit ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Lage abbildet. Dies wird dadurch noch verstärkt, dass nicht alle Wirtschaftstätigkeiten in der Verordnung definiert sind und daher momentan diejenigen Akteure profitieren, die ihre Wirtschaftstätigkeiten als taxonomiekonform ausweisen können.
Praktische Herausforderungen
Unabhängig von einigen Widersprüchlichkeiten in der Bewertung der Tätigkeiten, stellen sich auch praktische Herausforderungen bei der Erhebung der Daten. Der SFB merkt an, dass insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen nicht über das entsprechende Know-how für die Umsetzung verfügen und in der Folge auf externe Beratungsdienstleistungen angewiesen sind. Zudem liegen die geforderten Daten häufig gar nicht vor, weil die Erhebung dieser qualitativ hochwertigen Daten die Unternehmen vor unlösbare Aufgaben stellt. Es fehlt an einer flächendeckenden Kompetenz der Finanzmarktteilnehmer. Zur Ermöglichung der Taxonomieberichterstattung schlägt der SFB öffentliche Life-Cycle-Assessment-Datenbanken vor.
Ausblick
Der SFB ist trotz Unabhängigkeit ein nationales Gremium, das bei der Bundesregierung angesiedelt ist. Die tatsächliche Orientierungswirkung und der Einfluss des Positionspapiers auf die europäische Ebene bleiben abzuwarten. Trotz ausgewiesener Lücken, ist die Taxonomie-Verordnung nach dem Urteil des Fachkreises ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und reiht sich in eine breite Offensive auf dem Weg zu einem nachhaltigen Finanzsektor ein.