GÖRG Banking & Finance Blog: Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.01.2021 (I-7 W 44/20) entschieden: Vollstreckbar – als vertretbare Handlung (nach § 887 ZPO) – ist auch eine Verurteilung, Bitcoins an eine bestimmte Wallet-Adresse des Gläubigers zu übertragen. Der Beschluss gibt Anlass, der Frage nachzugehen, wie eine auf Bitcoin (BTC) lautende „Zahlungsschuld“ eingeklagt und ggf. vollstreckt werden kann. Spannend ist das vor allem deshalb, weil sich „Blockchain-basierte Zahlungsmittel“ – wie Bitcoins – nach heute gängigem Rechtsverständnis mit den herkömmlichen Rechtsinstituten nicht oder nur schwer „greifen“ lassen. | GÖRG Banking & Finance Blog

Die zwangsweise Beitreibung eines Anspruchs auf „Zahlung“ von Bitcoins (aktueller Beschluss des OLG Düsseldorf)

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.01.2021 (I-7 W 44/20) entschieden: Vollstreckbar – als vertretbare Handlung (nach § 887 ZPO) – ist auch eine Verurteilung, Bitcoins an eine bestimmte Wallet-Adresse des Gläubigers zu übertragen. Der Beschluss gibt Anlass, der Frage nachzugehen, wie eine auf Bitcoin (BTC) lautende „Zahlungsschuld“ eingeklagt und ggf. vollstreckt werden kann. Spannend ist das vor allem deshalb, weil sich „Blockchain-basierte Zahlungsmittel“ - wie Bitcoins - nach heute gängigem Rechtsverständnis mit den herkömmlichen Rechtsinstituten nicht oder nur schwer „greifen“ lassen.

Was sind Bitcoins?

Unklar ist die rechtliche Einordnung des Bitcoins, der zu den sog. „Kryptowährungen“ (auch: „Cryptocurrencies“) zählt.

Klar ist eigentlich nur, was Bitcoins nicht sind:

  • Bitcoins sind keine Währung und kein Geldzahlungsmittel im klassischen Sinne: Sie werden weder von einer Zentralbank oder einer öffentlichen Behörde ausgegeben noch existiert im Netzwerk ein allgemein gültiger Emittent dieses als Ersatzwährung genutzten Zahlensystems; es gibt keine übergeordnete und bestimmbare (juristische) Person, die regulierend auf die Verteilung der Bitcoins Einfluss nehmen kann, vielmehr überwachen alle Teilnehmer die Richtigkeit der Übertragung der Bitcoins innerhalb des Netzwerks (vgl. hierzu KG, Urt. v. 25.09.2018, (4) 161 Ss 28/18 (35/18), juris, Tz. 13 m.w.N.).
  • Bitcoins sind keine Sachen i.S.d. §§ 90 ff. BGB. Ihnen fehlt die Körperlichkeit: weder sind sie sinnlich wahrnehmbar noch sonst im Raum abgegrenzt vorhanden (vgl. etwa Badstuber, in: DGVZ 2019, 246, 247).
  • Bitcoins sind kein Buchgeld, denn sie sind keine (Geld-)Forderungen gegen Kreditinstitute, deren Solvenz und Liquidität sie so „gut“ wie Bargeld erscheinen lässt (vgl. zur Definition von Buchgeld etwa Grundmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 245 BGB, Rn. 6 f.). Überhaupt können Bitcoins schon nicht als „Forderung“ angesehen werden, da das bloße Innehaben von Bitcoins keine Ansprüche gegenüber Dritten entstehen lässt (vgl. Koch, in: DGVZ 2020, 85, 86; Ammann, CR 2018, 379, 380).
  • Bitcoins sind kein E-Geld. Zwar ist E-Geld gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 ZAG jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird. Doch fehlt es schon an einem Emittenten, der Bitcoins unter Begründung einer Forderung gegen sich ausgibt (vgl. BaFin, Bitcoins: Aufsichtliche Bewertung und Risiken für Nutzer, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2014/fa_bj_1401_bitcoins.html, zuletzt abgerufen am 07.06.2021).
  • Bitcoins sind auch kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB; weder gewähren sie ihrem Inhaber ein relatives noch ein absolutes Recht – sicher ist: die Inhaberschaft von Bitcoins ist im geschriebenen Recht bis dato noch nicht als Recht anerkannt (vgl. Badstuber, in: DGVZ 2019, 246, 247).

Die vorgenannten Punkte dürften wohl auch auf die übrigen – mehr oder minder populären – dezentral organisierten Kryptowährungen wie z.B. Litecoins, Peercoins, Ripple und Ethereum zutreffen. Sie liefern aber nur eine negative Begriffsabgrenzung und beantworten nicht unmittelbar die Frage nach der Rechtsnatur eines Bitcoins.

Die Details dürften als noch ungeklärt gelten: Rechtsprechung dazu gibt es kaum; nur die Literatur beschäftigt sich mit dieser Thematik (zutreffend Badstuber, in: DGVZ 2019, 246, 249).

Dabei hat die rechtliche Einordnung des Bitcoins (wie auch anderer Kryptowährungen) weitreichende Konsequenzen sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft. Das beginnt bereits bei der Anwendbarkeit der Typenverträge. Ein Sachkauf (§§ 433 ff. BGB) kommt nicht ernsthaft in Betracht, da es nicht um den „Kauf“ einer „Sache“ geht. Erwägen ließe sich der Rechtskauf, d.h. der Kauf von „Rechten“ und „sonstigen Gegenständen“ (§ 453 BGB), wobei der Bitcoin „als unkörperlicher Gegenstand“ und „Immaterialgut, das keine weiteren Rechte begründet“ eher als „sonstiger Gegenstand“ denn als Recht einzuordnen sein dürfte (vgl. auch Kütük/Sorge, in: MMR 2014, 643, 644; Ammann, in: CR 2018, 379, 380; Mössner, in: BeckOGK, Stand: 01.03.2021, § 90 BGB, Rn. 104.4; zur detaillierten Darstellung vgl. auch Badstuber, in: DGVZ 2019, 246, 247 ff.). Da Bitcoins kein Zahlungsmittel sind, können sie strenggenommen nicht als Kaufpreis im Rahmen eines Kaufvertrages (gleichviel ob Sach- oder Rechtskauf) eingeordnet werden (siehe allerdings Weiss, JuS 2019, 1050, 1056: „Kryptowährungsschulden sind Geldschulden“). In einem solchen Fall erscheint aber die Einordnung als Tausch denkbar, wenn Bitcoins für den Erwerb von Waren oder Gütern eingesetzt werden (so Engelhardt/Klein, in: MMR 2014, 355, 359; Spindler/Bille, in: WM 2014, 1357, 1362; Westermann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 480 Rn. 1 m.w.N.).

Entsprechend streitig ist auch, wie die Verfügung über Bitcoins als – nicht durch Immaterialgüterrechte geschützte – virtuelle Güter zu erfolgen hat. Teilweise wird vertreten, dass die Übertragung nach §§ 413, 398 ff. BGB vorzunehmen sei (vgl. Spindler/Bille, in: WM 2014, 1357, 1362 f.; ebenso: Mössner, in: BeckOGK, Stand: 01.03.2021, § 90 BGB, Rn. 104.4). Nach anderer Ansicht erfolgt die Übertragung analog §§ 873, 925 BGB (vgl. Ammann, in: CR 2018, 379, 381 ff.) oder aber als Realakt (so vertreten von Kuhlmann, in: CR 2014, 691, 696; Engelhardt/Klein, in: MMR 2014, 355, 357). Eine Anwendung der §§ 929 ff. BGB wird – soweit ersichtlich – einheitlich abgelehnt, selbst wenn der Bitcoin-Datenbanksatz auf einen dauerhaften Datenträger verbracht wird.

Was sind also Bitcoins?

Unter Bitcoins verstehen Rechtsprechung und Finanzaufsicht ein im Rechenwege durch eine Computerleistung erzeugtes verschlüsseltes elektronisches Zahlensystem, das in einem für jeden zugänglichen Netzwerk verwaltet und gespeichert wird und das auf jedermann übertragen werden kann, der ebenfalls über ein internetfähiges Computersystem verfügt (KG, Urt. v. 25.09.2018, (4) 161 Ss 28/18 (35/18), juris, Tz. 13 m.w.N.). Die BaFin definiert Bitcoins so: „[Sie] sind eine virtuelle Währung, deren Transaktionen und Guthaben in einem dezentralen Netzwerk verwaltet werden. Durch kryptografische Berechnungen kann prinzipiell jeder Netzwerk-Nutzer an der Geldschöpfung teilnehmen. Eine Zentralbank, die diese Aufgabe bei realen Währungen wahrnimmt, existiert daher nicht. Mit Bitcoins, die es seit 2009 gibt, können inzwischen zahlreiche Waren, Dienstleistungen, IT-Anwendungen oder Freizeitangebote erworben werden.“ (vgl. BaFin, Bitcoins: Aufsichtliche Bewertung und Risiken für Nutzer, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2014/fa_bj_1401_bitcoins.html, zuletzt abgerufen am 07.06.2021).

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 19.01.2021, Az. I-7 W 44/20)

Auch im Vollstreckungsverfahren stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Rechtsnatur von Bitcoins. Denn diese ist ausschlaggebend für die Art der Vollstreckung und welche Vorschriften zur Anwendung kommen. Das im 8. Buch der ZPO geregelte Zwangsvollstreckungsrecht kennt u.a. folgende Konstellationen:

  • Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen,
    • entweder in das bewegliche Vermögen (d.h. (i) in körperliche Sachen oder (ii) in Forderungen und andere Vermögensrechte)
    • oder in das unbewegliche Vermögen;
  • Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere zur Erwirkung von
    • vertretbaren Handlungen (§ 887 ZPO) oder
    • nicht vertretbaren Handlungen (§ 888 ZPO).

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Verurteilung, Bitcoins an eine bestimmte Wallet-Adresse (auch nur „Wallet“ als digitale Geldbörse) des Gläubigers zu übertragen, auf eine vertretbare Handlung gerichtet und daher gemäß § 887 ZPO zu vollstrecken ist.

Ausgangspunkt war das vom LG Mönchengladbach am 03.12.2019 erlassene Versäumnisurteil, das den dortigen Schuldner u.a. dazu verurteilte, „0,9 Bitcoin (BTC) an die (genau bezeichnete) Wallet-Adresse des Gläubigers zu übertragen“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.01.2021, I-7 W 44/20, juris, Tz. 1). Während der Titelgläubiger der Ansicht war, die titulierte Verpflichtung könne auch dadurch erfüllt werden, dass er selbst oder ein beliebiger Dritter 0,9 Bitcoin – gegen Bezahlung – erwerbe und an die Wallet-Adresse des Gläubigers übertrage, meinte das LG Mönchengladbach, es handele sich bei der Bitcoin-Übertragungsverpflichtung um eine gem. § 888 ZPO zu vollstreckende unvertretbare Handlung, weil die Übertragung von Bitcoins die Kenntnis des Speicherorts des privaten Schlüssels des Übertragenden voraussetze, die ein Dritter nicht habe (so etwa auch Kütük/Sorge, in: MMR 2014, 643, 645). Insofern unterstellte das LG Mönchengladbach offenbar, dass die begehrten Bitcoins ausschließlich aus der „Wallet“ des Schuldners stammen dürfen.

Das OLG Düsseldorf führt zunächst zutreffend aus, dass die Verpflichtung zur Übertragung von Bitcoin sich weder auf eine – gem. §§ 802a ff. ZPO zu vollstreckende – Zahlung eines Geldbetrages noch auf eine – gem. §§ 883 ff. ZPO zu vollstreckende – Herausgabe von Sachen, sondern eben auf eine „sonstige Handlung“ richte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.01.2021, I-7 W 44/20, Tz. 10). Bitcoins als nur virtuelle Währung sind jedenfalls kein Geld, sondern ein auf der Vertragsfreiheit der Parteien beruhendes „Zahlungsmittel“ (vgl. Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 857 ZPO, Rn. 24; ebenso wohl Weiss, JuS 2019, 1050, 1056).

Dabei ist zu beachten, das prinzipiell auch die Vollstreckung „wegen“ einer Geldforderung „in“ das Bitcoin-Vermögen eines Schuldners in Betracht kommen kann. Der Gläubiger möchte dann zur Befriedigung einer ihm gegen den Schuldner zustehenden Geldforderung auf dessen Bitcoin-Vermögen zugreifen (vgl. Koch, in: DGVZ 2020, 85, 86, der zutreffend beide Fallkonstellationen differenziert; ebenso: Kütük/Sorge, in: MMR 2014, 643, 644 f.). Um diese Fallvariante geht es hier jedoch nicht. Es geht darum, dass der Gläubiger die Erfüllung einer in Bitcoin bestehenden Schuld verlangt.

Ob die titulierte Verpflichtung gem. § 887 ZPO oder gem. § 888 ZPO vollstreckt werden muss, ist umstritten. Das hängt davon ab, ob die geschuldete Handlung (= Übertragung von Bitcoins an eine Wallet-Adresse) „vertretbar“ ist, d.h. durch einen Dritten vorgenommen werden kann. Dazu müsste es vom Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird – durch wen er also die Bitcoins erhält –, und vom Standpunkt des Schuldners aus rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.01.2021, I-7 W 44/20, Tz. 10; ebenso: Seibel, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 887 ZPO, Rn. 2).

Im Gegensatz dazu ist eine unvertretbare Handlung eine solche, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, die somit ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist (vgl. Seibel, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 888 ZPO, Rn. 2). Ausgeschlossen ist die Vornahme der Handlung durch einen Dritten, wenn er sie überhaupt nicht oder nicht so wie der Schuldner vornehmen kann oder nach dem Titel nicht vornehmen darf.

Diese Überlegungen zeigen, dass wiederum die Rechtsnatur von Bitcoins die entscheidende Weichenstellung ist. Zu Recht macht das OLG Düsseldorf seine Entscheidung im Kern daran fest (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.01.2021, I-7 W 44/20, Tz. 12), ob

  • es für den Gläubiger wirtschaftlich bedeutsam ist, durch wen und auf welche Weise die Gutschrift von Bitcoins in seinem „Wallet“ herbeigeführt wird und
  • die Kryptowerte gerade aus einem „Wallet“ des Schuldners stammen müssen und nicht anderweitig beschafft sein dürfen, etwa weil es sich ähnlich wie bei einem Sachdarlehen um „Kryptowerte 'gleicher Art, Güte und Menge'“ handelt.

Das OLG Düsseldorf hat Letzteres bejaht, sich in seinen Ausführungen aber darauf beschränkt, zu untersuchen, welche konkreten Erfordernisse der streitgegenständliche Titel enthielt und die generelle Entscheidung der – vom OLG als „umstritten“ identifizierten – Rechtsfrage offengelassen.

Korrekt ist jedoch der (jedenfalls implizite) Ansatzpunkt des OLG Düsseldorf, der auch in der einschlägigen Literatur der maßgebliche zu sein scheint: Kommt es dem Gläubiger darauf an, ganz bestimmte Bitcoins aus dem Guthaben des Schuldners zu erlangen (wie bei einer Stückschuld), oder zielt das wirtschaftliches Interesse des Gläubigers eher darauf ab, eine bestimmte Menge Bitcoins von „mittlerer Art und Güte“ zu erhalten (wie bei einer Gattungsschuld)? In den meisten Fällen – wie auch in dem vom OLG entschiedenen Fall – wird es dem Gläubiger völlig gleichgültig sein, von wessen Guthaben („Wallet“) er die Bitcoins erlangt (so auch Koch, in: DGVZ 2020, 85, 88: „zweitrangig“). Denn weder ist einem Bitcoin „anzusehen“, aus wessen „Wallet“ er stammt, noch käme einem solchen Etikett eine wirtschaftlich messbare Bedeutung zu. Bei lebensnaher Betrachtung dürfte gelten: Bitcoin ist Bitcoin, gleichgültig woher er stammt. Deshalb besitzt der Gläubiger auch kein rechtlich schützenswertes Interesse daran, dass die zu erwirkende Handlung (Übertragung einer bestimmten Menge an Bitcoins) allein durch den Vollstreckungsschuldner vorgenommen wird; die Übertragung einer bestimmten Menge Bitcoins kann im Einklang mit dem Leistungsinteresse des Vollstreckungsgläubigers von jedem Teilnehmer des Bitcoin-Systems erbracht werden (zutreffend Koch, in: DGVZ 2020, 85, 88). Deshalb handelt es sich – wie vom OLG Düsseldorf zu Recht angenommen – bei der Übertragung von Bitcoins um eine vertretbare Handlung i.S.d § 887 ZPO.

Die Frage nach der „Art der Schuld“ ist übrigens eng verknüpft mit der Frage, ob der Anspruch auf „Zahlung“ eines Kryptowährungsbetrags eine Geldschuld ist. Die wohl hM verneint das, weil dezentral organisierten Kryptowährungen (wie Bitcoin) eben kein Geld seien, da es schon an der staatlichen Anerkennung fehle (vgl. hierzu und zur Mindermeinung Weiss, in: JuS 2019, 1050, 1055 f. m.w.N.). Ob das allein überzeugen kann, erscheint zumindest fraglich. Jedenfalls hat die Einordnung weitreichende Konsequenzen. Denn auch wenn die Geldschuld wohl keine Gattungsschuld, sondern eine „Wert-(verschaffungs-)schuld“ ist, so ist bei der normalen Geldschuld die geschuldete Geldleistung ausschließlich summen-(betrags-)mäßig in Währungseinheiten festgelegt (vgl. Berger, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, §§ 244, 245 BGB Rn. 6), dies mit der Folge, dass die Vorschriften über Sachschulden (Wegfall der Leistungspflicht) unanwendbar sind und aus dem Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung dann für Bitcoins als Kryptowährung folgen würde, dass der Schuldner für seine finanzielle Leistungsfähigkeit – auch in Bitcoins – stets einzustehen hat (vgl. Berger, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, §§ 244, 245 BGB Rn. 6), frei nach dem Motto: „Bitcoins hat man zu haben“. Dabei erschiene diese Rechtsfolge – entlang der Idee von Bitcoins als Ersatzwährung – durchaus passend.

Folgt man jedoch der hM und nimmt an, dass Kryptowährungsschulden keine Geldschulden sind, wäre u.a. eigentlich das Unmöglichkeitsrecht (§§ 275 ff. BGB) auf die Verpflichtung zur Übertragung von Bitcoins anwendbar, im Prozess müsste die Vornahme einer Handlung (die „Versendung“ der geschuldeten Bitcoins) eingeklagt werden und in der Zwangsvollstreckung kämen folgerichtig nicht die §§ 802a ZPO (Geldschulden) und auch nicht § 887 ZPO, sondern § 888 ZPO (unvertretbare Handlung) zur Anwendung (vgl. die zutreffende Einschätzung von Weiss, in: JuS 2019, 1050, 1055, m.w.N.).

Konsequenterweise müsste also der Titel im Tenor lauten: „Der Beklagte wird verurteilt, Bitcoin i.H.v. x Einheiten an die Adresse [...] des Klägers zu übertragen.”; durchzusetzen wäre ein solchermaßen titulierter Anspruch dadurch, dass dem Vollstreckungsschuldner bei Nichtbefolgung Zwangshaft und/oder Zwangsgeld bis zu EUR 25.000,00 droht (vgl. etwa Kütük/Sorge, in: MMR 2014, 643, 645, m.w.N.). Sollte der Vollstreckungsschuldner keine Bitcoins mehr in seiner „Wallet“ haben, wäre die Leistungspflicht für ihn eigentlich nicht erfüllbar, also eine unmögliche Handlung, so dass in diesem Fall nach § 893 Abs. 1 ZPO der Gläubiger nur noch Schadenersatz verlangen könnte und die Durchsetzung der Übertragung von Bitcoins endgültig ausgeschlossen wäre (Kütük/Sorge, in: MMR 2014, 643, 645, m.w.N.). Diese Konsequenzen scheinen jedoch nicht zugleich all diejenigen zu ziehen, die meinen, dass die Verpflichtung zur Übertragung von Bitcoins keine Geldschuld sei. Eine kohärente Antwort muss wohl erst noch gefunden werden (dafür, dass Bitcoin als Wertsummenträger staatlich anerkannten Währungen näherstehe als einer im Rahmen eines Tauschvertrages als Gegenleistung geschuldeten konkreten Sache oder Forderung: Ammann, CR 2018, 379, 380).

Praktische Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs auf „Zahlung“ von Bitcoins

Davon ausgehend, dass es sich bei der „Bitcoin-Schuld“ um eine vertretbare Handlung i.S.d. § 887 ZPO handelt, so wird der Gläubiger vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag ermächtiget, die geschuldete Handlung (Übertragung von Bitcoins) auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen. Dazu darf der Gläubiger im Wege der Ersatzvornahme auch Verträge zur Durchführung der Ersatzvornahme im eigenen Namen abschließen; die notwendigen Kosten hat dann der Schuldner zu tragen (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 887 ZPO Rn. 23). Insofern darf der Gläubiger Verträge mit anderen Teilnehmern des Bitcoin-Systems abschließen, um sich von diesen die entsprechende Menge an Bitcoins übertragen zu lassen (vgl. Koch, in: DGVZ 2020, 85, 89). Auf Antrag des Gläubigers kann der Schuldner zur Zahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme verurteilt werden (§ 887 Abs. 2 ZPO); dies setzt voraus, dass gleichzeitig oder zuvor die Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO angeordnet wurde (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 887 ZPO Rn. 24). Die Höhe der Vorauszahlung setzt das Gericht im Rahmen des vom Gläubiger beantragten Betrages (§ 308 Abs. 1 ZPO) nach billigem Ermessen fest, wobei die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme als Grundlage zu schätzen sind (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 887 ZPO Rn. 24). Da der Bitcoin-Kurs zum Teil sehr starken Schwankungen unterliegt, kann es schwierig sein, schon im Vorfeld die exakte Höhe der voraussichtlichen Kosten für die (Ersatz-)Beschaffung der Bitcoins von Dritten zu bemessen; daher kann es geboten sei, dass der Gläubiger – sofern die Ersatzvornahme noch nicht stattgefunden hat – einen erneuten Antrag nach § 887 Abs. 2 ZPO stellt oder – sofern die Ersatzvornahme bereits stattgefunden hat – die entstandenen Mehrkosten nach § 788 ZPO geltend macht (vgl. Koch, in: DGVZ 2020, 85, 89).

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