Das OLG Dresden hatte sich mit der Wirksamkeit eines in AGB vereinbarten Verwahrentgeltes für Bankguthaben ab einer bestimmten Höhe zu befassen.
Im Wege eines Hinweisbeschlusses entschied das OLG am 18. Januar 2022 (Az. 8 U 1389/21), dass eine Klausel, nach der eine Bank für Guthaben ab EUR 5.000,01 ein Verwahrentgelt von 0,7 % p. a. von ihren Kunden verlangt, als Preishauptabrede einzuordnen und daher der AGB-Kontrolle nicht zugänglich sei. Ausdrücklich stellt sich das OLG Dresden in dieser Frage gegen das Landgericht Berlin, das bereits im Herbst des letzten Jahres die Vereinbarung eines Verwahrentgeltes bei Girokonten für unzulässig gehalten hat.
Sachverhalt
Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG, machte gegen die beklagte Bank AGB-rechtliche und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung einer Entgeltklausel gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag besteht oder abgeschlossen wird, geltend.
Die Parteien stritten im Berufungsverfahren vor dem OLG Dresden noch um die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten verwendeten Klausel, nach der sie für Guthaben ab EUR 5.000,01 ein Verwahrentgelt von 0,7 % p.a. von ihren Kunden verlangt.
Das – erstinstanzlich zuständige – Landgericht Leipzig hatte die Klage insoweit abgewiesen. Nach Ansicht des Landgerichtes sei die Klausel als Preishauptabrede einzuordnen, die zudem weder intransparent noch überraschend sei. Hiergegen wandte sich die Berufung des Klägers.
Entgeltliche Verwahrung von Kontoguthaben als selbständige Zusatzvereinbarung zum Girovertrag
Das OLG Dresden schloss sich der Auffassung des Landgerichtes Leipzig an und wies den Kläger darauf hin, dass die Berufung offensichtlich unbegründet sei.
Bei der streitgegenständlichen Klausel handele es sich zwar um eine AGB. Diese unterfalle als Preishauptabrede aber nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.
In der Begründung zeichnete das OLG Dresden zunächst die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH zur Reichweite der Inhaltskontrolle bei Preisabreden nach. Der Inhaltskontrolle unterfielen demnach grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen. Kontrollfähig seien hingegen Preisnebenabreden, Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abwichen, und Bestimmungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand hätten, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht würde, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälze.
Nach diesen Grundsätzen handele es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine Preishauptabrede. Der Girovertrag sei ein Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne von § 675f Abs. 2 BGB, zu dessen Hauptleistungspflichten die Ausführung von Zahlungsvorgängen und die Bereitstellung des Zahlungskontos gehören. Der Girovertrag könne daneben weitere Bankdienstleistungen umfassen, wie die Nutzung von Kreditkarten oder hier die unregelmäßige Verwahrung.
Die Verwahrung von Kontoguthaben unterliege nach Ansicht des OLG Dresden dabei dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und nicht dem Zahlungsdiensterecht. Letzteres beschränke sich gemäß § 675c Abs. 1 BGB auf Zahlungsdienste. Selbstständige Zusatzvereinbarungen über Leistungen, die selbst keine Zahlungsdienste seien, fielen hingegen unter diejenigen Regelungen, denen sie auch ohne Verknüpfung mit einem Zahlungsdiensterahmenvertrag unterlägen. Nach dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung sei die Vereinbarung eines Verwahrentgeltes möglich, auch wenn dies nicht bereits gesetzlich vorgesehen sei (vgl. §§ 700 Abs. 1 S. 2, 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Verwahrentgelt sei der Preis für die unregelmäßig Verwahrung und damit eine Preishauptabrede.
Das Argument des Klägers, dass die Bank zur Abwicklung des Zahlungsdiensterahmenvertrages ohnehin ein Konto zur Verfügung stellen müsse, differenziere nicht hinreichend zwischen den mit Hilfe eines Kontos zu erbringenden Leistungen (Ausführung von Zahlungsdiensten einerseits und Verwahren von Buchgeld andererseits).
Für die Zulässigkeit eines Verwahrentgeltes spräche ferner die Erwägung, wonach bislang die Banken eine Kompensation für die Verwahrung der Kundengelder durch das mit dem Eigentumserwerb am verwahrten Geld einhergehende Recht zur Kapitalnutzung und Fruchtziehung erhielten. In der aktuellen Negativzinsphase sei dies mangels eines von der Bank erzielbaren Kapitalnutzungsvorteils nicht, jedenfalls nicht in ausreichender Höhe möglich. Deshalb müsse die Kompensation nunmehr durch die Zahlung einer Vergütung seitens des Kunden für die Kapitalverwahrung erfolgen.
Entgegen der Einschätzung des Landgerichtes Berlin (Urteil vom 28. Oktober 2021, Az. 16 O 43/21) stehe dem Ergebnis nicht entgegen, dass es sich bei einem Zahlungsdienstevertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag höherer Art handele, für den die Vorschusspflicht nach § 669 BGB gelte und daher ein Girovertrag nicht ohne Verwahrfunktion abgeschlossen werden könne. Eine entsprechende Vorschusspflicht bedeute nicht, dass ein Girokonto dauerhaft in einem erheblichen Plus geführt werden könne. Der Freibetrag in der streitgegenständlichen Klausel trage diesem Umstand ausreichend Rechnung.
Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss des OLG Dresden führt den Streit um die Zulässigkeit der Vereinbarung von Verwahrentgelten in AGB nun erstmals in die höheren Instanzen (wenngleich beim Kammergericht unter dem Az. 5 U 126/21 bereits die Berufung zu dem vom OLG Dresden zitierten Urteil des Landgerichtes Berlin anhängig ist). Soweit von der unterinstanzlichen Rechtsprechung bisher teilweise vertreten wurde, dass Vereinbarungen über Verwahrentgelte für Kontoguthaben auch bei Neuverträgen dem gesetzlichen Leitbild gemäß §§ 700 Abs. 1 S. 2, 488 Abs. 1 S. 2 BGB widersprächen und deshalb unzulässig seien (so Landgericht Berlin, Urteil vom 28. Oktober 2021, 12 O 43/21, und Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Düsseldorf 2021, 12 O 34/21), ist das OLG Dresden dem entgegengetreten. Es stellt dabei nochmals klar, dass Giroverträge typengemischte Verträge sind, welchen je nach Vereinbarung kumulative, separat zu vergütende Hauptleistungen entspringen können. Hierzu gehört auch die Verwahrung von Kontoguthaben, die für Banken derzeit – verständlicherweise – unattraktiv ist. Die Entscheidung trägt dem berechtigten Interesse der Banken Rechnung, im aktuellen negativen Zinsumfeld etwa für das „Parken“ von Geldern bei der EZB zu zahlende negative Einlage-„Zinsen“ an die Kunden weiterzureichen.
Wie sich der BGH bei entsprechender Gelegenheit zu dieser Frage positionieren wird, bleibt abzuwarten. Mit der Entscheidung des OLG Dresden wird sich der BGH höchstwahrscheinlich nicht befassen, nachdem das OLG die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung verneint hat, u. a. deshalb die Berufung im Beschlusswege zurückweisen will und beabsichtigt, den Streitwert unter die für eine Nichtzulassungsbeschwerde gezogene Grenze festzusetzen.