Der zunehmende Wettbewerbsdruck in den Bereichen Nachhaltigkeit, Umweltschutz sowie der voranschreitende Klimawandel und die damit verbundene stark wachsende öffentliche Aufmerksamkeit hieran, steigert laut den europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) – der Bankenaufsicht (EBA), der Versicherungsaufsicht (EIOPA) und der Wertpapieraufsicht (ESMA) – das Risiko des sog. Greenwashing. Dieses tritt meist als Nebeneffekt im Zusammenhang mit der Vermarktung nachhaltiger Produkte auf.
Die Vielzahl von nationalen und europäischen rechtlichen Neuerungen stellen Wirtschaftsunternehmen dabei vor große individuelle Herausforderungen in der Umsetzung. Entscheidend für eine bestmögliche rechtssichere Umsetzung und eine Erreichung der klimapolitischen Ziele werden daher - wo immer möglich – konkrete Definitionen, Leitlinien und Handlungsempfehlungen der Aufsichtsbehörden sein.
Was ist Greenwashing?
Wie bereits in dem vorangegangenen Beitrag vom 21.04.2023 ausgeführt, existiert bislang keine einheitliche Definition von Greenwashing. Es wird vor allem als die Verzerrung und Falschdarstellung von verschiedenen klima- und nachhaltigkeitsbezogenen Aspekten verstanden.
Die ESAs verstehen unter Greenwashing
eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrundeliegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzproduktes oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln und für Verbraucher, Investoren oder andere Marktteilnehmer daher irreführend sein kann.
Ursachen
Das Ergebnis einer quantitativen Analyse des Greenwashing-Phänomens der ESAs zeigte demnach einen deutlichen Anstieg der potenziellen Greenwashing-Fälle in allen Sektoren. Erkennbar ist, dass durch die verstärkte Aufmerksamkeit für den Umweltschutz und Klimawandel und die wachsende Anzahl an verpflichteten Regulierungen – wie u.a. der Offenlegungs-Verordnung (SFDR), die Unternehmen für ihre Umweltmaßnahmen und ihre Klimafolgen zur Offenlegung interner Prozesse und Erhebungsmethoden gezwungen werden. Aufgrund dieser Verpflichtung kommt ein bloßes „Schweigen“ um sich dem Greenwashing-Risiko zu entziehen, als Strategie von vornerein nicht in Betracht. Die EBA fasst folgende derzeit bestehende Ursachen für Greenwashing zusammen:
- Wettbewerbsbedingte Faktoren – Aufgrund von wettbewerbsbedingten Druck von Verbraucherseite und Investoren umweltfreundliche Produkte anzubieten bzw. zu kaufen, werden „übereilt“ Produkte als „grün“ oder nachhaltig beworben;
- NGOs und medienbedingte Faktoren – Unternehmen sind sich der medialen Überwachung bewusst und konzentrieren sich bei ihrer Kommunikation oft nur auf nachhaltige Aspekte und ignorieren die umweltschädlichen Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit;
- Regulierungsbedingte Faktoren – Aufgrund der bisweilen unklaren Rechtsbegriffen in den Regulierungen und mangels angemessene Überwachung der Mindestanforderungen entstehen oft Missverständnisse und (unbewusstes) Greenwashing;
- Unzureichende Information – Unkenntnis bzw. unzureichende Informationen über die hohen Standards der Mindestvoraussetzungen, als auch der Mangel an Informationen über die Umweltleistung eines Unternehmens oder eines Assets kann zu dem Vorwurf des Greenwashing führen, selbst wenn dies nicht vorsätzlich erfolgt; und
- Unternehmensbedingte Faktoren – Die interne Struktur eines Unternehmens bzw. die unzureichende interne Kommunikation kann selbst eine Ursache für Greenwashing sein, u.a. wenn Stellenbezeichnungen, Strukturen oder Produkte als grün oder nachhaltig gekennzeichnet werden, ohne dass dahinter eine nachhaltige Unternehmensführung steht.
Folgen
Nach Einschätzung der zuständigen Behörden als auch der sonstigen Marktteilnehmer ist die schwerste Folge eines potenziellen Greenwashing-Vorwurfs ein Reputationsschaden. Die Relevanz von Greenwashing wird wohl derzeit für Banken als gering oder mittel und für Wertpapierfirmen als mittel oder hoch eingeschätzt, dürfte aber in der Zukunft steigen.
Das Thema Greenwashing und die Herausforderungen der Greenwashing-Prävention wird jedoch - wie die Meldung der ESAs erneut zeigt - von nationalen, als auch internationalen Aufsichtsbehörden ernst genommen. Dies wird unter anderem auch in der „Strategy 2023-2028“ der ESMA erkennbar. Aber auch die europäische Regulierung nimmt sich dieser Herausforderung mit dem am 22.03.2023 veröffentlichten Entwurf der „Green Claims Directive“ (2023/0085 (COD)) an. Die Richtlinie soll europaweit einheitliche Standards zu den Informationspflichten schaffen und klarstellen, dass Unternehmen ihre Produkte nur dann als „grün“ bewerben dürfen, sofern dies wissenschaftlich belegbar ist.
Die Formulierung der ESAs zur Beschreibung von Greenwashing („Irreführung“) lässt den Schluss zu, dass der Ansatz zur Regulierung von Greenwashing auch über das Wettbewerbsrecht weiterverfolgt wird (vgl. nur § 5 Abs. 2 UWG). Hier lassen sich deutliche Parallelen zu dem Verständnis von Greenwashing der ESAs erkennen. Darüber hinaus wird von der EBA als Regulierungsmöglichkeit die Sanktionierung von unlauterer Werbung explizit genannt. Man kann daher davon ausgehen, dass dieser aus der Praxis bekannte Ansatz, auch bei neuer Regulatorik beibehalten werden soll.
Ausblick
Die finalen Berichte der Analyse der ESAs sollen im Mai 2024 veröffentlicht und abschließende Empfehlungen, auch zu möglichen Änderungen des EU-Rechtsrahmens, enthalten.
Die Veröffentlichung zeigt erneut, dass das Thema Greenwashing immer mehr an Bedeutung gewinnt und die Behörden daran arbeiten die Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen, um den Verbraucher- und Anlegerschutz sowie die Marktintegrität zu gewährleisten und ein vertrauenswürdiges Umfeld für nachhaltige Finanzen zu schaffen. Es ist jedoch auch erkennbar, dass erneut keine eindeutig abgrenzbare Definition von Greenwashing geschaffen wurde.
Da sich die Wahrnehmung und Bewertung von Greenwashing jedoch stets auch an Politik und Wirtschaft anpasst, die einem ständigen Wandel unterworfen sind, ist es zumindest fraglich, ob eine starre Definition von Greenwashing tatsächlich praktikabel und sinnvoll wäre.
Aufgrund der von den ESAs gezogenen begrifflichen Parallele zum Wettbewerbsrecht kann zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls geraten werden, die Regelungen des nationalen Wettbewerbsrecht stets auch im Kontext von nachhaltigen Produkten einzuhalten, die Veröffentlichungen der nationalen und internationalen Behörden zu dem Thema Greenwashing im Auge zu behalten und im Zweifel Expertenrat einzuholen.